Ein um das Jahr 1550 gelebter Verfasser einer sächsischen Chronik berichtet, dass unsere Gegend schon um das Jahr 249 besiedelt gewesen sein soll. (Mündener Chronik von Lotze). Ob wir uns auf diese Nachricht verlassen können, will ich dahin gestellt sein lassen. Nach den ältesten lateinischen Urkunden vom Jahre 860 soll Speele oder richtiger genannt Ober-Speela jenseits der Fulda – auf der Höhe des Sodberges – gelegen haben. In jenen für Leben und Eigentum oft so unsicheren Zeiten (Einführung des Christentums, Franken- und Sachsenkriege) war Raub und Zerstörung; ja völlige Vernichtung des Dorfes nichts Seltenes. Die Franken, welche frühzeitig den Christenglauben angenommen hatten, gerieten hier im Grenzland mit den Sachsen des Öfteren in heftigen Streit. Hierbei wurde auch unsere Gegend in den Jahren 740 bis 860 von Kriegen nicht verschont. Die hier ansässigen Sachsen lebten noch immer in den Sitten ihrer Stammesväter. Ein jeder Gau unter seinem Landdrost und nur im Falle eines Krieges unter einem selbst gewählten Herzog. Sie verbrannten ihre Toten, sammelten die Asche in Urnen, legten öfters ein Lieblingsgerät des Verstorbenen zu der Urne und begruben mehrere solcher Urnen in einem Steinwall, überschütteten denselben mit Erde, so dass ein Hügel oder Hünengrab heute noch an diese Grabstätten erinnert. Von diesen Sitten und Gebräuchen unserer Vorfahren zeugen angeblich noch heute die sich an mehreren Orten der Umgebung von Speele befindlichen Gräber; in der Nähe des Stöckerhölzes am Lägerborn – oberhalb der Gänsewiese unweit des ehemaligen Vorwerks Hellegrund – und auf der rechten Anhöhe des Ickelbaches gegenüber von Wahnhausen. Ebenso soll auch das Hühnenfeld – heute noch Hühnerfeld falsch genannt – hierdurch seinen Namen erhalten haben
Der unterhalb Speele am Bahndamm stehende alte Warteturm, der das Gepräge eines hohen Alters trägt und die oberhalb liegende Hahnenschanze sollen zur Zeit dieser Kriege erbaut worden sein, um die gegenüberliegende Grenze zwischen Sachsen und Franken – den sogenannten Krumbach in dem Grund bei Knickhagen besser überwachen zu können. Nach der Einführung des Christentums gehörte Speele unter dem Namen Speela zum Archediakonat Ditmelle (Kirchditmold). Ebenso sollen bei der Gründung des Klosters Kaufungen, demselben schon Ländereien von Spielli vermacht worden sein, wonach man noch heute einen Teil die Kaufunger Breite nennt. Am 7. Januar 1329 kaufte Adelheid – Priorin und Conventualin des Klosters Hilwartshausen – das Gelände rechts vom Hilwartshäuser Graben in einer Größe von 4 Hufen mit aller Gerechtigkeit und Pertinenzen für 25 Taler Mündeschen reinen Silbers.
Schon früh wurde hier in Speele Salz gesiedet, weshalb der gegenüberliegende Berg auch heute noch Sodberg genannt wird und die Salzsieder den späteren Namen Soder oder Söder annahmen. Im Jahre 1497 gab Speele noch den 12. Teil seines Salzwerkes an das Kloster Wilhelmshausen ab. 1568 sollte das Salzwerk zugeschüttet werden, aber ein Begnadigungsbrief Herzog Erichs – datiert vom 19. März 1572 – erlaubte dem damaligen Besitzer J. Fischer weiteres Recht zur Salzgewinnung. Eine Stelle am diesseitigen Ufer der Fulda – unterhalb der alten Mühle – war eingezäunt. Diese Salzquelle diente den Bewohnern des Ortes als Viehtränke. Chemiker erklärten, dass das Wasser zum größten Teil Kochsalz neben viel Glaubersalz und Chlorkalium enthielte. Bei späteren Erweiterungsarbeiten an der alten Mühle – Ausgrabungen des Flussbettes zur Anlegung einer Turbine – kamen noch mehrere Salzquellen zum Vorschein. Sie wurden zugeschüttet. Die Salzsieder lebten außerdem noch vom Fischfang und – durch Urbarmachung des diesseitigen Geländes – von der Landwirtschaft. Die Namen dieser Bauernhöfe, wie Liethhof, Kuckuckshof, Kornhof, Junkershof und Rehhof sind den Einheimischen heute noch geläufige Flurbezeichnungen. In damaliger Zeit erhielt die St. Blasii Kirche in Hann. Münden vom hiesigen Landvogt noch den Zehnten von Speele, welche der dortige Kirchenvorstand im Jahre 1771 für 350 Taler an die Kirche in Speele verkaufte. Die alte katholische Dorfkirche stand neben dem Winneknechtschen Hofe, wo auch der alte Friedhof angelegt war. Beim Bau des Hauses Nr. 61 wurden noch Überreste Verstorbener freigelegt und auf dem neuen Gottesacker bestattet. Im Jahre 1789 wurde die neue Kirche etwas niedriger im Orte in einem Grasgarten erbaut. Die Innenseite des neuen Turmes ziert noch heute ein Stein der alten Kirche, welcher die Inschrift trägt: Anno des beschlossenen Friedens zu Osnabrück 1648 und zu Nürnberg 1650 Gott zu Lob und Dank, das er uns hat erhöret. Ich Michael Mucker und mein Eheweib Dorethea Riebestahl haben diesen Stein hier in’s Haus des Herrn um’s Neujahr eingesetzt, als eben zu Speele der Frieden verkündet wurde. Der Taufstein in der Kirche stammt aus dem Jahre 1613 und die ältere der beiden Glocken ist 1651 in Kassel von Gottfried Köhler gegossen worden. Während des 30jährigen Krieges – etwa um das Jahr 1628 – haben die Bewohner unseres Dorfes große Leiden ertragen müssen. Als Tilly sich nach vergeblicher Belagerung Kassels gegen Münden wandte, zogen seine plündernden Scharen durch unseren Ort. Die Hauptstreitmacht zog über Simmershausen – Holzhausen – Reinhardswald zur Tillyschanze. Eine zweite Schar zog im Fuldatal, setzte unterhalb Wahnhausen über die Fulda (Furth an der Ickelbachmündung) zerstörten die Glashütte im Lierbusche – die Ludwigslust, später Waldfried, jetzt Missionshaus Hebron – und plünderten Speele. Die Bewohner wurden zum Teil erschlagen und blieben unbeerdigt auf der Straße liegen. Ein Teil der Einwohner hatte sich in den nahegelegenen Wald (Tiefen Siegen, Rodebach, Finkenborn) geflüchtet und lebte von Kräutern und Waldbeeren. Viele fielen auch der Pest zum Opfer. Fünf Jahre und fünf Monate hatte unsere Gegend unter den Tillyschen Truppen zu leiden. Nach dem 30jährigen Kriege versuchte der Maschinenkonstrukteur Papin seine ersten Dampferfahrten auf der Fulda. Am 24. September 1707 fuhr er mit seinem Dampfschiff von Kassel ab und kam am selben Tage hier an Speele vorbei, wo alle Einwohner des Dorfes am Fuldaufer standen und sich diese Sehenswürdigkeit nicht entgehen lassen wollten. In Hann. Münden wurde das Schiff von dort ansässigen Schiffern zerstört.
Am 21. Juli 1762 wurde Speele bei einer
großen Schlacht des siebenjährigen Krieges vollständig zerstört.
Zwischen dem französischen Heerführer Soubise und den Truppen des
Prinzen Kasemir von Isenburg sowie dem Fußvolk des Generals von Oberg
war in nächster Umgebung ein heftiger Kampf entbrannt. Die Truppen des
hessischen Heerführers von Isenburg hatten den Ickelberg, die des
hannoverschen Heerführers von Oberg die Steinbreite besetzt, um sich
den von Kassel her drängenden Franzosen zu erwehren. Der Nachschub
erfolgte durch den noch heute so genannten Kanonenweg oberhalb von
Speele. Die dann einsetzende zwangsweise Besatzungsstärke betrug für
das Dorf Speele 70 Offiziere und 2000 Mann Fußvolk, welche der Ort 13
Tage lang ohne jegliche Entschädigung aus eigenen Erzeugnissen
verpflegen musste. Im Kirchenbuche der Gemeinde vom Jahre 1761 sind von
dem damaligen Pfarrer Heinrich Hampe folgende Notizen gemacht worden:
„Am 14. Mai, morgens um 2 Uhr, ist meine Frau an einem am 7. Mai
gehabten Schrecken sanft entschlafen. Ihr Schrecken ist daher
entstanden, weil am 7. Mai die braunschweigischen Husaren das hier
liegende französische Kommando – welches zum Teil in der Pfarre
einlogiert war – überfallen hatte und mich und meinen Söhnen arg
zugesetzt haben. Türen und Kammern wurden aufgebrochen und daraus
mitgenommen, was ihnen gut war. Misshandlungen wurden auch an einem
Schulmeister verübt, der ebenfalls anderntags gestorben ist.“
Die
Familie von Stockhausen hatte zwischen Speele und Lutterberg ein großes
Grundstück von 1500 Morgen, auf welchem sich oberhalb der Hellegrund
ein Stockhausensches Vorwerk befand. Im 16. Jahrhundert fiel das Haus
Stockhausen bei Herzog Erich in Ungnade; das Vorwerk wurde geschleift
und die dazugehörenden Ländereien gegen Zehntenabgabe an Lutterberg
abgegeben. Der Stockhausensche Wald, genannt Stöckerwald oder
Stöckerholz, wurde 1839 von Dr. Wißmann käuflich erworben, welcher dort
1844 einen Gutshof einrichtete. Der hier im Ort liegende „Alte Hof“
bewirtschaftete vermutlich die in hiesiger Gemarkung liegenden
Ländereien. 1855 wurde mit dem Bau der Eisenbahn Kassel-Hannover
begonnen, der vielen Einwohnern Verdienst und dem Ort einen gewissen
Aufstieg brachte. Hinzu kam der industrielle Aufstieg der nahen Stadt
Kassel, der auch für Speele nicht ohne günstige Folgen blieb. Der
jetzige Egenersche Hof war in damaliger Zeit ein großer Stapelplatz für
Baugeräte und Handwerkzeug. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts wurde
die Fulda schiffbar gemacht und das Papierwerk Speele stand unter dem
Besitzer Herrn Wertheim in bester Blüte. Letzterer veranstaltete im
Sommer 1895 im Kirchenstrauch ein Fest seiner Glaubensbrüder. Wie sehr
sich unser Ort im Laufe der Jahre vergrößert hat, besagen folgende
Daten: Im Jahre 1700 hatte Speele 25 hausbesitzende Einwohner, 1875
waren 282 Ortsanwesende in 66 Haushaltungen. Heute, 1951 sind es mit
den aus östlichen Gebieten Deutschlands vertriebenen Menschen rund 1000
Seelen, die das Dorf beherbergt.
Erst im 20. Jahrhundert begann in
Speele eine rege Bautätigkeit und Männer des Fortschritts erreichten
mit Tatkraft, dass aus dem rückständigen Ort ein Gemeindewesen wurde,
welches den Vergleich mit anderen Orten nicht zu scheuen braucht. Die
bislang benutzten Brunnen wurden zugeworfen und eine neue Wasserleitung
gebaut. Die Verkoppelung wurde durchgeführt, die Straßen zum Teil neu
hergerichtet und eine elektrische Dorfbeleuchtung geschaffen. Die
Wartung der Wasserleitung und die Pflasterung der Dorfstraßen wurden
durchgeführt. Im letzten der vielen Kriege besetzten amerikanische
Truppen unseren Ort, der zuvor von Bombenfliegern fast zur Hälfte
zerstört worden war.
Langsam erholt sich der Ort wieder von den schlimmsten Schäden des letzten Krieges, überall schaffen Menschen an ihren Heimen, neue Hoffnung ist in ihre Herzen gezogen. Darum muss dem heutigen Geschlecht die Heimat doppelt wertvoll werden, wenn es erfährt, welche geschichtlichen Erinnerungen sich an die so wohlbekannten und seit Kindheit vertrauten Örtlichkeiten knüpfen. Möge die Zukunft allen den Erfolg ihrer Arbeit bringen und weiteren Krieg und Zerstörung von Speele fernhalten. Zur besseren Wasserversorgung wird in den 50er ein neuer Trinkwasserbrunnen am Roddebach in Betrieb genommen. Anfang der 60er Jahre stand Speele in voller Blüte. Bei zwei Unternehmen, der Papierfabrik Seidel und der Sportartikelfabrik Rathgeber, konnten die Menschen Arbeit finden. Auch das Handwerk war mit einer Schlosserei, einem Malergeschäft, zwei Schreinereien und einem Zimmerman gut vertreten. Außerdem bewirtschafteten zu diesem Zeitpunkt vier Landwirte den Boden. Zum Einkaufen bestand eine reiche Auswahl: gleich drei Familien – Burgheim, Grimm und Kaduhr – unterhielten Lebensmittelgeschäfte. Den Feierabend konnten die Speeler im „Gasthaus zum Bahnhof“ und im „Waldhorn“ verbringen. Für Geldgeschäfte standen Filialen der Kreis- und Stadtsparkasse Münden und der Raiffeisenbank zur Verfügung. Offenbar führte diese fast ideale Infrastruktur dazu, dass es sich gut in Speele leben ließ, so dass die Einwohnerzahl noch 20 Jahre nach Kriegsende bei 1003 lag. Mit Beginn der 70er Jahre änderte sich Manches in Speele. Der erste Einschnitt bedeutete, dass die Kinder nicht mehr im Dorf zur Schule gehen konnten, weil diese im Sommer 1972 geschlossen wurde. Im Rahmen der Kommunalreform verliert Speele am 01. Januar 1973 seine kommunale Selbstständigkeit und wird ein Ortsteil der Gemeinde Staufenberg. Damit für die Bahn eine Brücke gebaut werden konnte, mussten 1982 das Bahnhofsgebäude und das Wohnhaus Nr. 53 abgerissen werden. Ende der 80er Jahre wird an das Gebäude der ehemaligen Schule die heutige Dorfgemeinschaftsanlage angebaut, die auch unsere Sporthalle beherbergt, die 1988 zur großen Freude aller Sportler in Speele eingeweiht wurde. Nachdem unsere Kirche 200 Jahre lang keinen Namen trug, erhielt sie anlässlich dieses Jubiläums den Namen „Friedenskirche“. Im Laufe der folgenden Jahre gibt es Einschnitte, die sich massiv auf die Lebensbedingungen in Speele auswirken. Als erstes wird die Postfiliale geschlossen, dann die Bankfilialen und schließlich gibt es auch keine Lebensmittelgeschäfte mehr in unserem Dorf. Auf Initiative unseres Ortsbürgermeisters Fred Kaduhr wird 2008 ein Kulturpfad errichtet, bestehend aus 29 Hinweistafeln. Alle Hinweistafeln wurden speziell für den Kulturpfad von dem Speeler Schreiner Karl-Heinz Buhre angefertigt. Im Jahr 2009 wird eine Lärmschutzwand entlang der Bahnlinie gebaut. Stellvertretend für diverse Jubiläen, die unsere Vereine in den vergangenen Jahrzehnten feiern konnten, sei das Jubiläum zum 110jährigen Bestehen des TSV Speele 2011 erwähnt. An der Schwelle zu weiteren Veränderungen, beginnt im September 2012 der Ausbau zum Golf- und Freizeitressort Gut Wissmanshof.